GESPENSTER

Fotos Markus Goessi

Ständig habe ich das Gefühl, etwas geerbt zu haben, das unsichtbar ist und meine Haltung zum Leben maßgeblich bestimmt. Vor etwa einem Jahr begann ich, alte Familienfotos abzuzeichnen. Die Beschäftigung mit Buntstift und Papier versetzte mich dabei in einen anderen zeitlichen Strom. Die Zeit, die ich Strich für Strich, Schicht für Schicht mit den Bildern verbrachte, entfaltete eine Auseinandersetzung, die mir zwar nicht mehr über meine Familiengeschichte verriet, mir aber dennoch einen Zugang dazu ermöglichte.
Ich habe immer eine Ahnenpraxis vermisst. Ich lernte nicht zu ehren, nichts weiterzugeben – nur abzustreifen und zu vergessen. Ich lernte, nicht wollen zu dürfen, was war, sondern alles abzulehnen, um weiterzukommen. Das Zeichnen war das erste Ritual, das mir zeigte, dass es auch andere Zugänge gibt als das Wissen um „Was war?“.

„Was war?“ ist wichtig und unverzichtbar um weiterzukommen. Aber wie tritt man in das Ahnenfeld ein, wenn man keinen direkten Zugang dazu hat? Wie gehe ich zurück in der Zeit? Wie löse ich unlösbare Verstrickungen? Wie ertappe ich das Gespenst – das, was vergangen ist, aber weiterwirkt? Die Haltungen, die sich unerkannt immer wieder neu inszenieren?
Neben dem Zeichnen ist ein anderer Zugang mein Körper. Eigentlich weiß ich viel über Haltung. Mein ganzes Leben habe ich den Körper studiert – vielleicht auch deshalb, weil ich die Gespenster meines Lebens fassen wollte.

In der Performance «Gespenster» für Translocal Performance Art Giswil 2024 ging ich diesen und anderen Fragen zur Transgenerationalität nach und versuchte, mit drei choreographischen Bildern das Wirken der und auf die Vergangenheit zu erkunden.